Anita Augspurg war eine deutsche Juristin, Aktivistin der bürgerlich-radikalen Frauenbewegung sowie Pazifistin.
Da ihr bewegtes Leben und Wirken sehr umfangreich war, beschränken wir uns hier auf eine kleine Chronologie.
(Links zu ausführlicheren Informationen werden hier nach und nach ergänzt bzw. sind unter dem Reiter "Links" in der Navigation zu finden...)
Die Eltern
Der Vater Wilhelm Moritz Adolf Carl Friedrich Augspurg wurde am 12.12.1808 in Kassel geboren. Er war Advokat und Notar in Lesum und erhielt 1852 die Berufung als Obergerichtsanwalt an das neu
gegründete Obergericht in Verden. Dort wurde er 1852 als Neubürger registriert.
Die Mutter Auguste Ernestine Wilhelmine Langenbeck, geb. 09.05.1815 in Bederkesa. Die Eheschließung war 1840 in Bremervörde. Unter den männlichen Nachkommen waren vermehrt Mediziner; der
Großvater war königlicher Hofmedicus und Landphysikus in Bremervörde. Ein Bruder der Mutter war Professor der Rechte in Jena.
Anita Theodora Johanna Sophie Augspurg war das jüngste von fünf Kindern. Die älteste Schwester Ernestine Louise Auguste, geb. 18.03.1842 in Lesum war vierzehn Jahre älter als Anita. Sie
leitete später eine Mädchenschule in Kassel. Die Schwester Amalie Marie Wilhelmine Friederike wurde am 05.08.1844 geboren, sie wohnte später in Dresden. Der Bruder Wilhelm Edouard wurde am
19.10.1847 geboren und der jüngste Bruder Dietrich Wilhelm Julius, geb. 09.08.1850 war bei ihrer Geburt bereits sieben Jahre. Dietrich und sein Bruder Wilhelm wandern später als Kaufmann
und Landwirt nach Übersee (Argentinien bzw.
USA) aus.
1857
Anita Theodora Johanna Sophie Augspurg wird am 22. September 1857 in Verden, Mühlentor geboren
1864
Besuch der privaten „Pensions- und Unterrichtsanstalt für Töchter“ der Schwestern Hertzig in Verden, Große Fischerstraße 12
1874
Als sog. „Höhere Tochter“ schreibt sie gelegentlich für ihren Vater gegen Bezahlung Akten ab
1878
Besuch eines privaten Lehrerinnenseminars in Berlin
1879
Preußische Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Mädchenschulen, Turnlehrerinnenexamen und Beginn des Schauspielunterrichts bei Johanna Frieb-Blumauer
1881
Erstes Engagement am Meininger Hoftheater
1882
Engagement in Riga
1884
Engagement beim Altenburger Hoftheater, 33 Rollen in der Spielzeit 1984/85 und Tod der Mutter
1885
Gastspielverpflichtungen, Rolle als junger Goethe
1886
Begegnung mit Sophie Goudstikker in Dresden bei ihrer Schwester Amalie, die dort eine Malschule betrieb. Beginn der Ausbildung als Fotografin in München.
1887
Eröffnung des Foto-Ateliers „Elvira“ in München, Von-der-Thann-Str. 15
1889
Mitglied des Frauenvereins „Reform“ (später „Frauenbildungsreform“), Beginn der Zusammenarbeit mit Hedwig Kettler, die die höhere Mädchenbildung fordert
1891
Erste Auftritte als Rednerin für den Verein „Frauenbildungsreform“
1893
Rede zur Eröffnung des ersten Mädchengymnasiums (Karlsruhe). Beginn des Studiums der Rechtswissenschaften in Zürich. In Preußen wurde den Frauen das Studium erst 1908 erlaubt.
1895
Beginn der Zusammenarbeit mit Minna Cauer (führender Kopf der jungen radikalen Richtung in der bürgerlichen Frauenbewegung) in Berlin; Gasthörerin an der Berliner
Friedrich-Wilhelm-Universität, Engagement gegen das geplante „Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich“ in Bezug auf Frauenrechte.
1896
Austritt aus dem Verein „Frauenbildungsreform“ wegen Differenzen mit Hedwig Kettler. Mitbegründerin und Vorsitzende des „Vereins für Frauenstudium“. Rede auf dem 1. Internationalen
Frauenkongress in Berlin; erste Begegnung mit der
28-jährigen Lida Gustava Heymann, geb. 15.03.1868.
1897
Promotion Universität Zürich, Titel der Arbeit: „Über die Entstehung und Praxis der Volksvertretung in England“
1898
Enge Zusammenarbeit mit Minna Cauer in Berlin
1899
Beginn der Zusammenarbeit mit Lida Gustava Heymann. Herausgeberin der „Parlamentarischen Angelegenheiten und Gesetzgebung“ (Beilage des Blattes „Frauenbewegung“)
1902
Mitbegründerin und 1. Vorsitzende des „Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht“
1903
Mitglied der „Fortschrittlichen Volkspartei“ in Hamburg
1904
Mitbegründerin und 2. Vorsitzende des „Weltbundes für Frauenstimmrecht. Lebensgemeinschaft mit Lida Gustava Heymann in München, Kaulbachstraße 12, und Irschenhausen, Oberbayern.
1906
Großer Prozess vor dem Hamburger Landgericht wegen Beleidigung von Schutzmännern, der großes Aufsehen bis nach Übersee erregt
1907
Übernahme des Gutshofes „Siglhof“ in Peissenberg/Obb. gemeinsam mit Lida Gustava Heymann
1908
Austritt aus der „Fortschrittlichen Volkspartei“ in Hamburg, Unterstützung der englischen Suffragetten. Tätigkeit als Landwirtin auf dem „Siglhof“, die beiden Vegetarierinnen
setzen sich für den Tierschutz ein. Verstärkter Rückzug aus der deutschen Frauenbewegung.
1913
Lebensbedrohliche Erkrankung (schwere Lungenentzündung mit nachfolgender Rippenfellentzündung)
1915
Initiative zur Internationalen Frauenfriedenskonferenz in Den Haag. Mitbegründerin des „Internationalen Frauenausschusses für einen dauernden Frieden“ (Vorgängerorganisation der
1919 gegründeten „Internationalen Frauenliga für Frieden und
Freiheit -IFFF-).
1916
Aufgabe des „Siglhofs“ nach zwei Brandanschlägen und Umzug in die „Burg Sonnensturm“. Fortsetzung der illegalen pazifistischen Arbeit.
1917
Initiative für das Frauenstimmrecht gemeinsam mit den sozialistischen Parteien und verschiedenen Frauenorganisationen
1918
Mitglied des Bayerischen Rätekongresses. Enge Zusammenarbeit mit dem Pazifisten Kurt Eisner, Ministerpräsident ab November 1918, wird im Februar 1919 erschossen.
1919
Kandidatur für den Bayerischen Landtag als parteilose Kandidatin der Unabhängigen Sozialdemokraten - USDP -, Forderung von Frauenräten im Münchener Rätekongress. Heymann und
Augspurg sind Herausgeberinnen der Zeitschrift „Die Frau im Staat“.
1923
Augspurg und Heymann fordern von den bayerischen Behörden die Ausweisung Hitlers
1924
Mehrmonatiger Aufenthalt in den USA, wo u. a. der Weltkongress der Frauenliga stattfindet
1933
Winterreise nach Mallorca, Nordafrika und Sizilien. Beginn des Exils in der Schweiz mit Reisen nach Genf, Prag, London und Paris.
1934
Beschlagnahme des Vermögens durch die bayerischen Behörden, Einleitung des Ausbürgerungsverfahrens
1941
Arbeit an den Lebenserinnerungen „Erlebtes – Erschautes“ gemeinsam mit Lida Gustava Heymann
1943
Tod Heymanns im August 1943. Anita Augspurg stirbt wenige Monate später am 20.12.1943 in ihrer Dachwohnung in der
Züricher Klosbachstraße 134, die die beiden Frauen seit 1937 bewohnen.
Quellen:
Lida Gustava Heymann: „Erlebtes – Erschautes“ aus dem Ulrike Helmer Verlag, Frankfurt/Main
Christiane Henke: „Anita Augspurg“ aus dem Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg
Susanne Kinnebrock: „Anita Augspurg (1857 – 1943)“ aus dem Centaurus Verlag, Herbolzheim